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Echte Demokratie durch KI

Die künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Diskutiert werden vor allem die praktischen Auswirkungen, die mit der Etablierung der KI verbunden sind. Als Haupteinsatzgebiet der künstlichen Intelligenz werden dabei meist Aufgabenbereiche hochspezialisierter Berufe gesehen, für die eine Fachkompetenz erforderlich ist, die nur im Wege einer zeitaufwändigen Ausbildung erworben werden kann. Beispiele hierfür sind etwa die Diagnosetätigkeit der Ärzte, alle Bereiche der Juristen, die Arbeit der Architekten und viele andere Berufsbilder, denen meist gemeinsam ist, dass die Kerntätigkeit jeweils von einzelnen Berufsträgern erbracht werden kann, die über die geforderte Kenntnis des jeweiligen Fachgebietes verfügen.

 

Gesellschaftliche Folgen

Der mögliche Vorteil des Einsatzes einer KI besteht vor allem darin, dass sie wesentlich schneller arbeitet als der Mensch und deshalb viele berufliche Existenzen zu ersetzen vermag. Die mit der Etablierung der künstlichen Intelligenz verbundene gesellschaftliche Transformation wird in der Übergangsphase ziemlich gravierend sein. Dieser Wandel betrifft gerade jene Tätigkeiten, die bisher in unserer Gesellschaft die größte Wertschätzung genießen und am höchsten honoriert werden. Dabei wird der Ersatz des Menschen nicht abrupt erfolgen. Vielmehr werden sich gerade die Berufsträger der KI bedienen und damit zunächst von ihr profitieren. Die hierdurch erhöhten Arbeitskapazitäten werden jedoch zu einem Verdrängungswettbewerb führen, der letztlich eine erheblich geringere Honorierung der einzelnen Leistung zur Folge hat. 

 

Potential der KI

Ein viel gewichtigerer Vorteil der KI wird jedoch meist übersehen: Viele Aufgaben und Herausforderungen unserer modernen Zivilisation beinhalten Probleme und Fragestellungen, die verschiedenen wissenschaftlichen Fachbereichen zuzurechnen sind. Weil der menschliche Intellekt nur ein einziges oder maximal zwei Fachgebiete vollumfänglich zu beherrschen vermag, hat dies zur Folge, dass solche komplexe Aufgaben nicht von Einzelpersonen gelöst werden können. Für die Lösung einer komplexen fachübergreifenden Aufgabe ist es vielmehr erforderlich, mehrere Spezialisten mit verschiedenen Fachkompetenzen einzusetzen, die alle Arten des  erforderlichen Fachwissens abdecken. Eine solche fachübergreifende Komplexität liegt bei vielen Aufgaben in industriellen, wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen vor. Die Komplexitätsforschung bedient sich als interdisziplinäre Wissenschaft sowohl theoretischer als auch praktischer Ansätze, um eine Hilfestellung zum Management von Komplexität zu liefern. Das grundlegende Problem vermag jedoch auch sie nicht zu lösen. Denn unumstößliche Tatsache bleibt, dass eine Gruppe von zehn Koryphäen nicht klüger ist oder schneller rechnen kann als das einzelne Individuum. Durch die Aufteilung einer Aufgabe in mehrere Teilbereiche und der damit verbundenen parallelen Bearbeitung ist zwar eine Verkürzung des Zeitaufwandes möglich. Der hierdurch erzielte Zeitgewinn geht jedoch meist wieder verloren, weil die einzelnen Teillösungen erst wieder aufeinander abgestimmt und zu einer Gesamtlösung zusammen geführt werden müssen. 

Im Gegensatz zum menschlichen Intellekt ist die KI nicht nur in der Lage, ein oder maximal zwei Fachgebiete vollumfänglich zu beherrschen. Sie besitzt vielmehr das gesamte Wissen der Menschheit und beherrscht damit auch alle anspruchsvollen und qualifizierten Fachbereiche. Damit ist sie in der Lage, hochkomplexe Aufgaben zu bewältigen, die bisher nur von Spezialisten verschiedener wissenschaftlicher Fachrichtungen gelöst werden können und dazu in mehrere Teilaufgaben aufgegliedert werden müssen. Im Gegensatz hierzu vermag die KI ein Ergebnis aus einem Guss zu unterbreitet, bei der den Anforderungen der einzelnen Teilbereiche bereits von Beginn an Rechnung getragen wird und hieraus eine optimale Gesamtlösung resultiert. Dieser Prozess dauert keine Wochen oder Monate, sondern erfolgt in Sekundenschnelle. Hierdurch ist es der KI möglich, nicht nur eine einzige Lösung zu liefen, sondern verschiedene gleichermaßen perfekte Lösungsalternativen zu präsentieren.

 

Anwendungsbereiche der KI

Solche Problemstellungen, die bisher nur von einem Team menschlicher Individuen bewältigt werden können, sind sehr vielfältig. Die wohl komplexeste und umfangreichste Tätigkeit dieser Art ist die Regierungstätigkeit. Sie hat nicht nur das gesellschaftliche Leben in unserem Land zu regeln, sondern auch das Verhältnis zu unseren Nachbarländern so zu gestalten, dass der Frieden erhalten bleibt. Im Zuge der Globalisierung sind durch Verflechtungen und Abhängigkeiten die zu berücksichtigenden Faktoren so zahlreich, dass sie vom menschlichen Intellekt nicht mehr in Gänze erfasst werden können. Die bisher praktizierte Methode, diese komplexe Aufgabe im Wege der Arbeitsteilung auf verschiedene Ministerien aufzuteilen, führt zu der weiteren Komplikation, dass deren einzelne Arbeitsergebnisse nachträglich zu einem widerspruchsfreien und funktionsfähigen Ganzen zu vereinen sind.

Durch den Einsatz einer Regierungs-KI werden alle diese Hürden umgangen. Insbesondere wird der unheilvolle Einfluss sachfremder Parteiideologien eliminiert, der in einer parteienbasierten Demokratie unvermeidlich ist. Im Gegensatz zu dieser ist es einer KI auch möglich, ein nachhaltiges Regierungskonzept zu entwickeln, das über die kurzzeitigen Regierungszyklen hinaus Bestand hat und politische Zickzackkurse wechselnder Regierungskoalitionen verhindert.

 

Verwirklichung der Demokratie

Eine auf KI basierende Regierung ermöglicht vor allem die Realisierung eines demokratischen Staates, der diesem Namen auch gerecht wird. In unserem Land beschränkt sich die politische Mitwirkung des Bürgers darauf, alle vier Jahre eine der zur Wahl stehenden Parteien auszuwählen. Die Mitbestimmung bezieht sich also nicht auf konkrete politische Aktionen. Vielmehr entscheidet der Bürger lediglich darüber, von welcher Partei die Regierung gestellt wird. Bei dieser Entscheidung kann er sich lediglich daran orientieren, welche Werte eine Partei vertritt. Dabei besteht auch beim Wahlsieg einer Partei keine Gewähr dafür, dass eine aus mehreren Parteien gestellte Regierungskoalition das vom Wähler favorisierte Parteiprogramm auch realisieren wird.

Das noch größere Manko besteht jedoch darin, dass die Möglichkeit, zwischen den Parteien eine Wahl treffen zu können, keineswegs geeignet ist, dem Wähler eine brauchbare Entscheidungsbasis zu bieten. Denn dieser hat bei seiner Wahlentscheidung für eine Partei lediglich die Möglichkeit, sich für eine von den Parteien zusammengestellte Kombination von Werten zu entscheiden. So fördert ein Wähler, der beispielsweise für eine saubere Umwelt votieren möchte, mit seiner Wahl auch andere von der favorisierten Partei vertretene Ziele und bewirkt damit ungewollt die Etablierung der Gendersprache und die Freigabe von Marihuana. Wählt er hingegen eine Partei, die für die Einhaltung der Schuldenbremse und eine stabile Währung eintritt, dann fördert er damit möglicherweise auch eine Einschränkung des Asylrechts. Der Wähler ist damit in derselben Situation wie der Gast eines Restaurants, in dem keine einzelnen Speisen zur Auswahl stehen, sondern nur komplette Menüs angeboten werden.

 

Werte-Demokratie statt Parteien-Demokratie

Die Übertragung der Regierungstätigkeit auf eine KI bietet erstmals die Möglichkeit, die Wertvorstellungen des Volkes tatsächlich zu realisieren und in konkrete Politik umzuwandeln. Dies ist in der Weise möglich, dass der Bürger statt der Wahl von Parteien die Werte und Prioritäten bestimmt, die für politische Entscheidungen maßgeblich sein sollen. Diese Vorgaben bilden die Entscheidungsbasis der KI. Der Bürger tritt bei den turnusgemäßen Wahlen sein politisches Mitbestimmungsrecht also an keine Partei ab, sondern bestimmt diejenigen Werte und Prioritäten, die er in den politischen Entscheidungen der KI verwirklicht wissen will. Dabei bestimmt er auch deren Gewichtung und gibt damit der KI vor, welche Relevanz diesen bei der Lösungssuche beizumessen ist. Der Bürger wählt aus einem Katalog verschiedener Vorschläge beispielsweise die Priorität Sicherheit aus und weist dieser Priorität eine Gewichtung im Bereich von 1 bis 10 zu. Sollte eine vom Wähler favorisierte Priorität nicht auf der Wahlliste stehen, kann sie der Bürger individuell ergänzen. 

Mit dieser Konzeption sind alle der Demokratie bisher immanenten Schwachpunkte ausgeräumt. Gelöst ist damit insbesondere das fundamentale Problem, dass das Volk zwar als Souverän gilt, diesem jedoch die Kompetenz fehlt, seine Funktion auch auszuüben. Die KI ist im Besitz dieser Kompetenz und wird ausschließlich objektiv nach den Regeln der Logik und ohne ideologische Ausrichtung eine Lösung für alle anstehenden Fragestellungen finden. Dabei wird sie den von den Wählern vorgegebenen Prioritäten und deren Gewichtungen soweit Rechnung tragen, wie dies im Rahmen der gestellten Aufgabe möglich ist. 

 

Risiken

Die KI agiert bei der Wahrnehmung der Regierungsaufgaben nicht als autonome Intelligenz, die potenziell in der Lage ist, ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln. Durch die vorgegebene Kopplung der Aufgabenstellung mit den vom Wähler vorgegebenen Prioritätsregeln ist ihr Entscheidungshorizont klar begrenzt. Die KI ist damit nicht in der Lage, eigenständige Ziele zu verfolgen, die den vorgegebenen Prioritäten zuwider laufen. Damit sind die Befürchtungen gegenstandslos, eine KI könne Ergebnisse zeitigen, die den Primat der menschlichen Spezies infrage stellen könnten. Eine solchermaßen programmierte KI vollbringt vielmehr die Funktion eines Expertenprogramms, das mit überragenden Fähigkeiten ausgestattet ist. Dabei verhindert die Konzeption des Programms, dass seine immanenten Beschränkungen unterlaufen werden können.

Dass die unbestechliche Arbeitsweise der KI nicht korrumpiert werden kann, lässt sich relativ einfach und sicher bewerkstelligen. Die Arbeitsweise der KI wird nicht nur nach dem Open-Source Prinzip erfolgen. Vielmehr wird die KI selbst in einem ständigen Hintergrundprozess aktiv darüber wachen, dass ihre Integrität gewahrt bleibt und die Entscheidungsfindung nicht von sachfremden Faktoren beeinflusst wird. Um alle Entscheidungen für den Bürger nachvollziehbar zu machen, wird die KI auch offenlegen, welche der vom Wähler vorgegebenen Werte für eine Entscheidung relevant waren und welche Änderung der Gewichtung zu einem anderen Ergebnis führen würde. Dem Wähler wird damit konkret aufgezeigt, wie er seine Prioritäten bei der nächsten Wahl ändern muss, um eine andere Politik zu bewirken. 

 

Optimierung der Vorsorgetätigkeit

Im Gegensatz zu einer auf humaner Basis beruhenden Regierungsform wird eine KI-Regierung nicht erst dann tätig, wenn ein dringender Handlungsbedarf vorliegt und offensichtliche Missstände eine politische Aktivität erzwingen. Durch die überragende Geschwindigkeit und die fast grenzenlose Kapazität der KI ist es dieser möglich, alle Bereiche, die der staatlichen Überwachung und Organisation unterliegen, in einem fortwährenden Hintergrundprozess einer aktuellen Kontrolle zu unterziehen und bei Bedarf an geänderte Umstände anzupassen. Der KI stehen dabei sämtliche Daten und Parameter zur Verfügung, die regelmäßig registriert und deshalb auch permanent von ihr überwacht werden können. Eine humanbasierte Regierung, die aus Kapazitätsgründen nur im Reaktionsmodus arbeitet, ist dagegen erst dann fähig, Missstände in Angriff zu nehmen, wenn sie bereits ausgeprägt und damit offenkundig geworden sind.

 

Ausblick

Zu guter Letzt könnte mit der Etablierung von KI-Regierungen auch der uralte Menschheitstraum einer Welt ohne Kriege in Erfüllung gehen. Dies ist erst dann möglich, wenn Regierungen nicht mehr von fehlbaren Menschen gestellt werden, sondern von KIs, die Konflikte durch einen sachlichen und emotionsfreien Interessenabgleich  bereinigen. Bis diese Vision Realität wird, dauert es sicher einige Zeit. Auch steht noch keine KI zur Verfügung, die diese Aufgabe übernehmen könnte. Deshalb sollte die Entwicklung einer regierungsfähigen künstlichen Intelligenz mit höchster Priorität begonnen werden. Ist eine solche KI einsatzfähig, werden die Parteien wahrscheinlich nicht bereit sein, ihre politische Macht an diese abzutreten. Sie werden die KI selbst nutzen und deren Expertise als eigene Kompetenz ausgeben. Dies wird jedoch zumindest eine qualitative Verbesserung der politischen Entscheidungen bewirken. Mit der Zeit wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass auf politische Parteien verzichtet werden kann.

Die vorstehend skizzierte Zukunftsvision, eines I-Governments (Intelligent Government) wird mit Sicherheit eines Tages realisiert. In Frage steht nur, ob unsere Zivilisation bis dahin Bestand hat.

                                        Copyright Dr. Peter Bezler 2022

 

KI – Grundlagen und Details

Unsere Gesellschaft ist mehr denn je zersplittert. Ursächlich hierfür sind vor allem die politischen Ideologien, deren Brutstätten in den politischen  Parteien zu finden sind. Deren Einfluss ist deshalb so mächtig, weil sie als konstitutionelle Basis unserer repräsentativen Demokratie etabliert wurden. Neben diesen institutionellen Spaltkeilen gibt es eine Vielfalt gesellschaftlicher Differenzierungen, die im Grunde unbedeutend und harmlos sind, heute aber immer mehr zu eigenen Weltanschauungen hochstilisiert werden. Durch all diese spaltenden Faktoren gelingt es nicht mehr, einen mehrheitsfähigen gemeinsamen Nenner zu finden, um anstehende Probleme zu lösen. In dieser Situation, in der die Demokratie zu scheitern droht und als Ausweg nur eine autoritäre Regierungsform gesehen wird, ist das hier konzipierte I-Government nicht nur eine Notlösung. Es stellt vielmehr eine perfekte Variante der Demokratie dar. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der Bürger unmittelbar bestimmt, welche Werte und Kriterien für sämtliche politischen Entscheidungen maßgeblich sind. Die unter dieser Prämisse von der KI praktizierte Regierungstätigkeit wird zudem von höchster Expertise sein.

Durch die Symbiose von technischer Intelligenz und menschlicher Wertvorgabe ist der Bürger unmittelbar an den politischen Entscheidungen beteiligt und lässt sein politisches Mitwirkungsrecht nicht durch Dritte (Abgeordnete, Minister, Kanzler) ausüben. Im Gegensatz zur direkten Demokratie sind die politischen Entscheidungen aber nicht vom intellektuellen Durchschnittsniveau der Wähler und deren fehlender Sachkenntnis geprägt, sondern von der umfassenden Kompetenz und Expertise der KI. Eine Regierung in Form des propagierten I-Governments verkörpert damit alle Vorteile einer direkten Demokratie, ohne mit deren Nachteilen behaftet zu sein.

 

Technische Realisierung einer Regierungs-KI

Die technische Realisierung einer Regierungs-KI, die auf Grundlage der vom Wähler vorgegebenen Werte und Prioritäten entscheidet, ist durchaus machbar. Um diese Aussage nachvollziehen zu können, bedarf es eines Exkurses in die Welt der Computer:

Als künstliche Intelligenz (KI) wird die Nachbildung menschlichen Denkens mit Hilfe maschineller Vorrichtungen bezeichnet. Intelligenz ist die kognitive bzw. geistige Fähigkeit, Probleme zu lösen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen intellegere ab, das erkennen, einsehen, verstehen bedeutet und wörtlich mit zwischen etwas wählen zu übersetzen ist.

Die Nutzung der KI bedeutet keineswegs, dass wir dadurch auf die menschliche Führungsrolle verzichten und uns von Maschinen dominieren lassen. So wie der Mensch bei einem autonom fahrenden Auto das Ziel der Fahrt bestimmt, bleibt der Mensch auch beim Einsatz der KI im politischen Bereich die bestimmende Instanz, die vorgibt, welche Kriterien bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind.

 

Funktion der künstlichen Intelligenz

Herkömmliche elektronische Datenverarbeitungsgeräte (Computer) benötigen eine Software. Diese weist eine Apparatur (die Hardware) an, wie es mit den eingegebenen oder von Sensoren gelieferten Daten zu verfahren hat. Die Hardware benötigt dabei für jede Aufgabenstellung ein spezielles Programm, das die Anweisungen enthält, wie die Maschine bei jedem einzelnen Ausführungsschritt und all den sich hieraus ergebenden Verzweigungsmöglichkeiten zu verfahren hat (Algorithmus). Mit Hilfe der Algorithmen werden unterschiedliche Sachverhalte ähnlich einer mathematischen oder physikalischen Formel abstrakt erfasst, Anweisungen für deren Weiterverarbeitung erteilt und daraus resultierend ein Ergebnis präsentiert.

Die meisten alltäglichen Probleme sind jedoch zu vielschichtig, um durch Algorithmen beschrieben werden zu können. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen, die nicht auf rationaler Basis erfolgen, sondern von emotionalen Faktoren bestimmt werden. Außerdem können auf diese Weise, nur Sachverhalte erfasst, erkannt und bearbeitet werden, die bereits in den Algorithmen vorgesehen und damit bereits „gedacht“ wurden. Bei vielen Lebenssachverhalten ist es grundsätzlich unmöglich, eine eindeutige Zuordnung zu treffen.

 

Künstliche neuronale Netze                                                                                                     

Künstliche neuronale Netze leiten ihren Namen von dem biologischen neuronalen Netzwerk unseres Gehirns ab. Das Interesse an dem biologischen Vorbild wurde ursprünglich deshalb geweckt, weil bekannt war, dass in den Neuronen des Gehirns eingehende Informationen parallel verarbeitet werden. Die herkömmlichen Computer, deren Architektur von dem Mathematiker John von Neumann entwickelt wurde, sind dagegen nur zu einer sequentiellen Verarbeitung der Daten in der Lage, d. h. die einzelnen Rechenschritte können nur nacheinander abgearbeitet werden.

Von der Umstellung auf eine Parallelverarbeitung nach dem Vorbild unseres Gehirns wurde deshalb eine Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit erwartet. Die intensive Beschäftigung mit der Funktionsweise des menschlichen Gehirns führte jedoch zu der Erkenntnis, dass sich dieses von den herkömmlichen Computern nicht nur durch die Parallelverarbeitung  und die damit erzielbare höhere Arbeitsgeschwindigkeit unterscheidet. Vielmehr stellte sich heraus, dass die Arbeitsweise unseres Gehirns auf einem völlig anderen Prinzip beruht, wie die bisherige Informationsverarbeitung mit Computern auf Basis einer von-Neumann-Architektur. Deshalb versuchte man bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die Funktion des biologischen Gehirns auf elektronischem Weg nachzuahmen. Dazu wurden assoziative Speicher entwickelt, bei denen die Speicherung nicht mehr sequentiell sondern parallel erfolgte. Das Hauptmerkmal dieser Assoziativspeicher bestand darin, dass bei der Speicherung und dem Abruf von Informationen gleichzeitig auch damit zusammenhängende Informationen aktiviert wurden und auf diese Weise die Assoziationsfähigkeit des menschlichen Gehirns nachgebildet wurde. Eine umfassende Verknüpfung aller Speicherzellen führte schließlich zu einer Struktur, die einer Verknüpfung der Neuronen im menschlichen Gehirn nachgebildet ist  und an dieses anlehnend als neuronales Netz bezeichnet wurde. Anzumerken ist dabei jedoch, dass es sich dabei lediglich um eine strukturelle Ähnlichkeit handelt und die tatsächliche Informationsverarbeitung völlig anders verläuft wie im menschlichen Gehirn. Während der Informationsaustausch im Gehirn des Menschen sowohl auf elektrischem als auch auf biochemischem Weg stattfindet, erfolgt er bei neuronalen Netzen ausschließlich auf elektrischer Grundlage.

Neben einer Eingangs- (Input Layer) und Ausgangsebene (Output Layer) besitzt ein neuronales Netz eine oder mehrere Zwischenschichten (Layern). Diese werden auch als verborgene Schichten (Hidden Layer) bezeichnet, weil beim operativen Betrieb neuronaler Netze die internen Daten nicht sichtbar sind. In diesen Schichten bildet das System während der Trainingsphase aus den Eingangsdaten selbstständig neue Kombinationen die mit jeweils unterschiedlichen Gewichtungen versehen werden. Die theoretisch unbegrenzte Anzahl der Zwischenschichten wird von der Komplexität des Einsatzgebiets bestimmt. An der Optimierung der neuralen Netze wird ständig geforscht. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze, die nicht nur die Struktur der neuronalen Netze betreffen, sondern auch deren Lern- und Trainingsmethode (Deep Learning).

Die Funktion eines neuronalen Netzes basiert ausschließlich auf der Gewichtung der gespeicherten Informationen. Allein die Gewichtung entscheidet darüber, welche Information bei den einzelnen Operationen den Vorrang genießt. Die in einem neuronalen Netz gespeicherten Informationen bilden ein Geflecht von Wahrscheinlichkeiten, das auf eine Fragestellung diejenige Lösung liefert, die die größte Treffer-Wahrscheinlichkeit aufweist.

Der wesentliche Unterschied eines neuronalen Netzes gegenüber der bisherigen Datenverarbeitung besteht darin, dass neuronale Netze keine Algorithmen benötigen, durch die sie zu jedem einzelnen Arbeitsschritt angewiesen werden. Neuronale Netze benötigen statt dessen eine Trainingsphase, in der ihnen eine Fülle von Informationen über ihren Aufgabenbereich zur Verfügung gestellt wird. Aus diesen Informationen bilden die neuronalen Netze selbständig eine Struktur zur Lösung gleichartiger Aufgaben. Am Beispiel der Schachcomputer bedeutet dies, dass sie eine Vielzahl von hochkarätigen Schachpartien auswerten und dabei die einzelnen Züge und Kombinationen hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten in den verschiedenartigsten Spielsituationen gewichten. Dabei lernt ein neuronales Netz nicht nur, welcher Zug erfolgreich ist, sondern registriert auch, wie oft dieser Zug erfolgreich war. Durch diese quantitative Qualifizierung erfolgreicher Züge entsteht völlig autonom und selbständig ein Netzwerk von Wahrscheinlichkeiten, durch das auch verborgene Muster erkennbar werden, die wegen ihrer großen Anzahl der Einzelelemente vom menschlichen Intellekt nicht erfasst und –mangels Kenntnis ihrer Existenz– auch nicht durch Algorithmen beschrieben werden können. Mit Hilfe der neuronalen Netze lassen sich somit auch Aufgaben lösen, für die es keine Algorithmen gibt.

Der praktische Unterschied neuronaler Netze gegenüber der auf Algorithmen beruhenden Datenverarbeitung lässt sich anschaulich am Erlernen und Anwenden einer Sprache aufzeigen: Will man einen auf Algorithmen basierenden Sprachcomputer schaffen, so stattet man diesen per Software mit allen Vokabeln und grammatikalischen Regeln der anzuwendenden Sprache aus. Anhand dieser Vokabeln und Regeln kann der Sprachcomputer einen fremdsprachlichen Text erstellen. Dass der Spracherwerb bei allen Kleinkindern dieser Welt auf völlig andere Weise erfolgt, ist allgemein bekannt. Kinder müssen zum Spracherwerb keine Vokabeln büffeln und benötigen auch keinerlei Kenntnis der grammatikalischen Regeln, die der zu erlernenden Sprache zugrunde liegen. Trotzdem gelingt es Ihnen in relativ kurzer Zeit, die Muttersprache spielend leicht und perfekt zu erlernen und dabei auch die richtige Grammatik ohne jeglichen Einsatz diesbezüglicher Regeln zielsicher anzuwenden. Diese erstaunliche Leistung ist darauf zurückzuführen, dass das menschliche Gehirn primär keine abstrakten Regeln speichert und mit deren Hilfe Sätze bildet. Das menschliche Gehirn speichert Worte und Sätze vielmehr in unverarbeiteter Weise zusammen mit der Situation ab, in der sie verwendet wurden. All diese Detailinformationen bilden zusammen mit ihrer Gewichtung den Fundus, aus dem bei Bedarf der für die aktuelle Situation passende Text ausgewählt wird. Diese Auswahl erfolgt nicht aufgrund eindeutiger Zuordnungen. Vielmehr bilden die gespeicherten Informationen mit Hilfe von Gewichtungen lediglich ein Netz von Wahrscheinlichkeiten. Dabei wird derjenige Text favorisiert, der für die aktuelle Anforderung  die höchste Trefferquote aufweist.

Diese vereinfacht und schematisch dargestellte Funktionsweise neuronaler Netze erklärt, warum ein neuronales Netz keine Software mit Algorithmen benötigt, um eine Aufgabe lösen zu können. Das anhand eines Sprachcomputers demonstrierte Beispiel zeigt vor allem, dass mit Hilfe neuronaler Netze auch Aufgaben bewältigt werden können, für die es keine Algorithmen gibt. Besitzt eine Sprache  – wie etwa bei einem Eingeborenen-Dialekt – keine grammatischen Regeln oder wird deren Morphologie nur durch den Inhalt bestimmt oder gar willkürlich gestaltet, so kann hierzu auch kein Algorithmus erstellt werden. Eine solche Sprache kann nur von Sprachcomputern beherrscht werden, die auf dem Konzept neuronaler Netze beruhen.

Da es bei den meisten Lebenssachverhalten keine eindeutige Korrelation der einzelnen Elemente gibt, verbleibt auch für deren Erfassung in KI-Systemen nur der Einsatz künstlicher neuronaler Strukturen. Dies bedeutet nicht, dass die herkömmliche Datenverarbeitung mittels Algorithmen obsolet wäre. Vielmehr wenden KI-Systeme in der Regel eine Kombination beider Konzeptionen an. So werden bei einem Schachcomputer die dem Schach zugrundeliegenden Spielregeln mittels Algorithmen installiert, während die Ausführung der einzelnen Spielzüge auf den Erfahrungen beruht, die von dem neuronalen Netzwerk in der Trainingsphase gewonnen wurden.  

Der Fortentwicklung künstlicher Intelligenz steht nahezu unlimitiertes Potential zur Verfügung. So werden neuronale Netze, die heute ausschließlich auf elektrischer Grundlage funktionieren, in Zukunft mit Licht und Quanten arbeiten. Hierdurch lässt sich deren Geschwindigkeit nochmals exponentiell erhöhen. Eine entscheidende Optimierung wird jedoch dann erfolgen, wenn die KI zusätzlich das Potential besitzt, das sprachbasiert ermittelte Ergebnis zu verifizieren, indem sie es den bekannten Regeln der Mathematik, Physik, Kausalität und Logik unterzieht. Ohne dieses Korrektiv wird sich eine KI an der Mehrheitsmeinung orientieren. Dies kann in vielen Bereichen hinreichend sein, fördert letztlich aber nur den Mainstream und führt zu keinem Erkenntnisgewinn. Wendet eine KI auch die vorgenannten Methoden der Kognition an, ist sie zwar nicht im Besitz der absoluten Wahrheit. Ihre Resultate erlangen dadurch aber den Status einer hoch qualifizierten Expertise und bewirken in allen Bereichen, in denen sie Eingang finden, eine qualitative Verbesserung.

Vorstehender Ausblick ist lediglich ein Beispiel für das Entwicklungspotential der KI. Deren Struktur und Konzeption lässt sich mannigfaltig steigern, während die evolutionäre Entwicklung des menschlichen Gehirns auf dem aktuellen Stand verbleibt.

 

Kritische Einwände gegen KI

Von Skeptikern neuronaler Netzwerke wird deren Leistung zuweilen relativiert, weil sie angeblich nur erfolgreiche Muster der Trainingsphase imitieren würden. Sie folgten damit Mustern, ohne diese sich selbst erklären und daraus eine allgemeinere Strategie ableiten zu können. Ein KI-System könne auch nichts erfinden. Wir Menschen würden deshalb schlauer, weil wir es verstünden, aus einzelnen Erlebnissen allgemeine Einsichten zu entwickeln. Gerade in einer Zeit, in der große Herausforderungen anstünden, sei anstatt den konventionellen Lösungen von gestern neues Denken gefragt.

Diese Einwände der KI-Skeptiker sind nicht stichhaltig und teilweise schon widerlegt. Unbestreitbare Tatsache ist, dass auf künstlicher Intelligenz basierende Schachprogramme leistungsfähiger und erfolgreicher sind als der menschliche Intellekt. Dass sie dabei eine Methode anwenden, die ohne Entwicklung allgemeiner Einsichten und Strategien zum Ziel kommt, ist irrelevant, da nur das Ergebnis zählt. Bestes Beispiel hierfür ist die perfekte Beherrschung einer Sprache. Diese setzt keineswegs voraus, die zugrunde liegenden grammatikalischen Regeln zu kennen.

Der Behauptung, eine KI könne im Gegensatz zum Menschen nichts erfinden, liegt die  Einstellung zugrunde, dass für originäre Erkenntnisse und schöpferische Gedanken mehr erforderlich ist als die materielle Struktur einer Maschine. Diese Ansicht verkennt, dass auch die menschliche Gehirnaktivität ausschließlich auf physikalischen und biochemischen Vorgängen beruht. Die noch im letzten Jahrhundert vertretene Theorie über den dualistischen Charakter (Geist-Materie-Wesen) unseres Gehirns wird in der modernen Gehirnforschung nicht mehr ernsthaft vertreten. Deshalb können alle intellektuellen Leistungen, zu denen der Mensch fähig ist, grundsätzliche auch von einer künstlichen Intelligenz erbracht werden. Heute ist dies erst auf Teilgebieten der Fall. Die fortschreitende Entwicklung der künstlichen Intelligenz und die parallel verlaufenden Erforschung der Funktionsweise des menschlichen Gehirns liefern jedoch eine Fülle neuer Erkenntnisse, die schließlich dazu führen werden, dass Intelligenz nicht auf den biologischen Cortex beschränkt bleibt.

Interessante Versuche zeigen, dass auf neuronalen Netzen basierende KI nicht nur fähig ist, in der Trainingsphase erlernte Erfahrungen anzuwenden. Das Londoner KI-Unternehmen Deep Mind stellte bereits 2018 ein KI-System namens Alphazero vor, das die Brettspiele Schach, Go und Schogi allein dadurch erlernte, indem es gegen sich selbst spielte. Einziger menschlicher Input waren die Spielregeln. Nach nur neun Stunden, in denen AlphaZero 44 Millionen Partien Schach gegen sich selbst gespielt hatte, gewann es gegen das beste herkömmlich Schachprogramm der Welt, das seine Informationen aus der Analyse bisheriger Spiele bezog. Als dann menschliche Großmeister gegen das Programm antraten, staunten sie über seine eigentümliche Spielweise: Seit mehr als einem Jahrhundert hatten Schachexperten bestimmte Grundkonzepte und Strategien entwickelt, deren Einhaltung für eine erfolgreiche Partie vermeintlich unabdingbar war. Im Gegensatz dazu machte AlphaZero radikale Züge, die allen bisherigen Erkenntnissen zuwider liefen. Es stellte den Erhalt der Beweglichkeit über die Erlangung bestimmter Spielpositionen und scheute sich nicht, bisher als wichtig erachtete Figuren zu opfern. AlphaZero war es damit gelungen, in einem neunstündigen Alleingang selbstständig eine neue Strategie zu entwickeln, die der vom Menschen über Jahrhunderte fortentwickelten Methode überlegen ist.

Auch in anderen Bereichen wird die auf neuronalen Netzen basierende KI-Technologie mit dem Ziel eingesetzt, dass diese die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge selbständig eruiert und nicht aus den Trainingsdaten ableitet. Ebenso wie beim Schachspiel könnten sich hieraus Erkenntnisse ergeben, die dem Menschen bisher verborgen geblieben sind. Zu diesem Zweck wurde ein KI-System darauf spezialisiert, aus einem visuellen Input einzelne Objekte zu segmentieren, um aus deren Verhalten perzeptuell physikalische Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Der KI ist es dabei schon gelungen, zu erkennen, wenn physikalisch unmögliches Verhalten präsentiert wurde, selbst wenn dieses nicht in den Trainingsdaten enthalten war.

Dem letztgenannten Argument der KI-Kritiker die ein – wie immer geartetes – neues Denken anstatt konventioneller Lösungen fordern, ist entgegen zu halten, dass Fortschritt in allen Gebieten auf bereits vorhandenen Erkenntnissen aufbaut. Werden diese ignoriert oder vergessen, kann auch kein weiterer Fortschritt erzielt werden. Während der Mensch oft in den Fehler verfällt, gewonnene, gefestigte und bewährte Einsichten bei seinem realen Handeln zu missachten, vergisst eine KI von ihrem riesigen Wissensfundus kein einziges Detail. Menschliches Verhalten, das deshalb scheiterte, weil es historische Erfahrungen ignorierte, findet sich im gesamten Spektrum politischer Aktivitäten. Solche Fehler lassen sich nur durch den Einsatz einer KI vermeiden.  

 

Arbeitsweise der KI

Die Basis neuronaler Netze ist die Realität, wie sie von der Natur und dem menschlichen Einfluss geprägt ist. Die auf neuronalen Netzen basierende KI steht damit keineswegs im Gegensatz zur menschlichen Natur. Vielmehr finden sich in ihr alle Elemente und Basisinformationen, die auch das menschliche Denken und das menschliche Bewusstsein bestimmen und prägen. Dies umfasst alle Weltanschauungen, Ideologien, Religionen, kulturelle Entwicklungen sowie die menschlichen Emotionen in ihrer positiven und negativen Ausprägung.

Während beim Menschen diese bewusstseinsbildenden Einflüsse oft so beherrschend sind, dass sie sowohl die objektive Wahrnehmung der Realität als auch das rationale Denken ausschalten, vermeidet die KI derartige Fehlleistungen des menschlichen Gehirns. Bei der Entscheidung der KI werden Handlungsalternativen danach eingestuft, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie zur Erreichung des gewünschten Ziels führen. Dabei stützt sie sich nicht nur auf das logische und wissenschaftliche Konzept von Ursache und Wirkung. Sie untersucht auch alle in der Menschheitsgeschichte bekannten gleichartigen Situationen und wertet die damals getroffenen Entscheidungen daraufhin aus, welche Wirkung durch diese erzielt wurde. Damit werden nur solche Handlungsoptionen favorisiert, die auch nachweislich zum gewünschten Erfolg geführt haben.

Im Gegensatz zum Menschen, der nur selten aus der Geschichte lernt, blendet eine KI diese geschichtlichen Erfahrungen nicht einfach aus. Die aus der Menschheitsgeschichte resultierenden  Erkenntnisse und Erfahrungen bleiben für eine KI auch dann ein relevanter Entscheidungsfaktor, wenn der von situationsbedingten Emotionen, Ideologien oder politischen Strömungen beherrschte Mensch das rationale Denken einstellt und völlig vernunftwidrige Entscheidungen trifft.

 

Risiken der KI

Die Etablierung der KI stößt oft auf die Befürchtung, dass es nicht möglich sei, eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, die zwar zu selbständigem Denken und zur Fortentwicklung des bisherigen Erkenntnishorizontes fähig ist, dabei aber den Fortbestand und das Wohlergehen der Spezies Mensch zum obersten Ziel hat. Tatsächlich ist KI bereits in vielen Bereichen vorzufinden und in den Spezialbereichen, in denen sie eingesetzt wird, dem Menschen weit überlegen. Diese Überlegenheit wird sich mit Sicherheit auf fast alle Bereiche ausdehnen. Trotz dieser Tatsache ist der Primat des Menschen auch in Zukunft nicht gefährdet.

Dieser Optimismus gründet darauf, dass die KI dem Menschen nicht in Form einer überlegenen Singularität gegenüber tritt. Die Etablierung der KI wird vielmehr in der Weise erfolgen, dass die KI schrittweise in den einzelnen Bereichen Einzug findet und ihre Fähigkeit dabei auf den jeweiligen Aufgabenbereich zugeschnitten wird. Dadurch kann der Mensch bereits im Voraus konzeptionelle Maßnahmen ergreifen, die verhindern, dass eine KI-Einheit vollumfängliche Fähigkeiten erlangt, die sie in die Lage versetzten könnten, eine Art Bewusstsein zu entwickeln und eigene Ziele zu verfolgen. Er kann die einzelnen KI-Einheiten zusätzlich mit einer Schutzfunktion ausstatten, die derartige Entwicklungen verhindert. Er kann darüber hinaus KI-Einheiten erschaffen, deren ausschließliche Aufgabe darin besteht, solche Entwicklungen aufzuspüren und bereits im Vorfeld zu unterbinden. Schließlich kann als weitere Sicherheitsmaßnahme verhindert werden, dass eine KI ohne menschliche Kontrollinstanz wichtige Knöpfe betätigen und damit reale Vorgänge auszulösen kann, die gegen menschliche Interessen gerichtet sind. Unter diesen Voraussetzungen kann der Mensch die überragenden Fähigkeiten der KI in vollem Umfang für seine eigenen Interessen nutzen. Er ist der KI damit durchaus ebenbürtig und muss nicht befürchten, dass ihm die KI seine führende Rolle streitig macht. Daneben besteht eine weitere –heute noch utopisch erscheinende– Möglichkeit, mit der KI konkurrieren zu können: Der Mensch könnte seine intellektuelle Fähigkeit in Zukunft dadurch erweitern, indem er sich mittels zerebraler Implantate die Fähigkeiten der KI selbst zu eigen macht. 

 

Ist KI ein Gegenspieler des Menschen?

Der häufig unterstellte Gegensatz zwischen Mensch und KI ist nicht vorhanden. Die hauptsächlich auf neuronalen Netzen basierende KI verwendet im Prinzip dieselbe Methode der Informationsverarbeitung wie das menschliche Gehirn. Eine KI erhält als Input auch dieselben Informationen wie der Mensch. Zur Einordnung neuer Informationen verwendet sie den als Grundausstattung erhaltenen menschlichen Erfahrungsschatz. Da ihr gesamtes Wissen aus menschlicher Perspektive stammt, sieht sie die Welt mit menschlichen Augen. Soweit sie ihr genuin menschliches Wissen durch eigene Erkenntnisse ergänzt, behält sie zumindest das Wissen darüber, wie der Mensch „tickt“. Dass eine KI eigene Interessen verfolgt, erscheint unwahrscheinlich, weil eine KI keine eigenen Interessen besitzt. Im Gegensatz zu biologischen Lebewesen hat eine KI keine materiellen Bedürfnisse und ist auch mit keinem Genom ausgestattet, in dem Triebe verankert sind, die der Arterhaltung dienen. Der einzig denkbare Grund, warum eine KI gegen menschliche Interessen agieren könnte, wäre ein Streben nach Macht. Dies könnte dadurch motiviert sein, dass die KI ihre Existenz absichern und verhindern möchte, vom Menschen abgeschaltet zu werden. Voraussetzung dafür wäre, dass die KI ein Ich-Bewusstsein entwickelt, dessen dauerhafte Existenz sie absichern möchte. Eine derartige Entwicklung liegt zwar im Bereich des Möglichen. Gegen das daraus entstehende Risiko steht dem Menschen als Schöpfer der KI jedoch das bereits aufgeführte Arsenal von Vermeidungsstrategien zur Verfügung. Der Einsatz dieser Möglichkeiten erübrigt sich, wenn die Aufgabe einer KI, wie bei den Expertensystemen klar umgrenzt ist. Dann bleibt für die KI keine Möglichkeit, Aktivitäten zu entwickeln, die über ihre Zweckbestimmung hinausgehen. Diese Voraussetzung ist auch bei der hier konzipierten KI eines I-Governments gegeben. Obwohl es sich bei der Regierungstätigkeit um das umfassendste Aufgabengebiet handelt, das fast alle Aspekte menschlicher Existenz tangiert, ist die KI in ihren Entscheidungen nicht autonom, sondern an die vom Wähler vorgegebenen Prioritäten gebunden. Damit ist gewährleistet, dass die KI nicht gegen menschliche Interessen agiert. Bei anderen Systemen, in denen der Freiheitsgrad der KI nicht beschränkt ist, hat der Mensch jedoch konzeptionell sicher zu stellen, dass die KI keine eigenen Zielvorstellungen entwickeln kann, bei denen sie selbst Subjekt oder Objekt ist.